Was regelt das Medizinproduktegesetz?
Bandagen, Einwegspritzen, Stents, Ultraschallgeräte – all das sind Medizinprodukte und aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Bis es ein Medizinprodukt jedoch zur Anwendung am / an der Patient:in schafft, hat es einen weiten Weg vor sich. Denn um sicherzustellen, dass jedes Medizinprodukt sicher und wirkungsvoll ist, regelt das Medizinproduktegesetz (MPG) nicht nur was Medizinprodukte überhaupt sind, sondern auch welche Kriterien sie erfüllen müssen, um auf dem Markt zugelassen zu werden. Das Medizinproduktegesetz beinhaltet also umfangreiche Regelungen, die die Herstellung, den Vertrieb, die Anwendung und auch die Sicherstellung der Qualität betreffen.
Neben dem MPG ist für die Zulassung und Verwendung von Medizinprodukten auch die europäische Medical Device Regulation (MDR) anzuwenden. Diese ersetzt die Medizinprodukterichtlinie (93/42/EWG) und die Richtlinie für aktive implantierbare medizinische Geräte (90/385/EWG). Die Verordnung (EU) 2017/745 beinhaltet strengere Vorgaben für Medizinprodukthersteller und einheitlichere Vorgaben für alle Mitgliedstaaten, wodurch auch das österreichische Medizinproduktegesetz (MPG 2021) angepasst wurde.
1. Was sind Medizinprodukte?
Medizinprodukte sind Produkte, die für einen medizinischen Zweck eingesetzt werden und vom Hersteller für die Anwendung am Menschen bestimmt sind. Sie dienen dazu Krankheiten oder Verletzungen zu diagnostizieren, zu behandeln, zu lindern oder zu überwachen. Außerdem werden sie auch für die In-Vitro-Diagnose und zur Empfängnisregelung eingesetzt.
Die Wirkung von Medizinprodukten erfolgt physikalisch oder physikochemisch, nicht jedoch pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch, wodurch sie sich wesentlich von Pharmazeutika unterscheiden.
Medizinprodukte reichen vom einfachen Verbandsmittel über Implantate, orthopädische Schuhe, Röntgengeräte bis hin zum Herzschrittmacher und können Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe oder andere Gegenstände darstellen. Die Bandbreite der verschiedenen Medizinprodukte ist folglich enorm. Was aber sind Medizinprodukte in Österreich? Wir listen sie auf:
- Aktive Medizinprodukte: Hörgeräte, Herz-Lungen-Maschinen, Infusionspumpen, Patientenmonitore, Beatmungsgeräte, Strahlentherapie
- Nicht aktive Medizinprodukte: chirurgische Instrumente, Gehilfen, Verbandsmaterial
- Aktive implantierbare Medizinprodukte: Herzschrittmacher
- Nicht aktive, implantierbare Medizinprodukte: Implantate, Knochenschrauben
- Medizinische Software
- Medizinprodukte für die in-vitro Diagnose
- Medizinische Geräte
- Medizinische Labordiagnostika
2. Klinische Prüfung
Seit Einführung der MDR müssen alle Medizinprodukte eine Klinische Bewertung erfahren. Das bedeutet, dass nicht mehr nur Medizinprodukte der Klasse III und implantierbare Produkte, sondern auch Medizinprodukte der Klasse I und II klinisch bewertet werden.
Ziel einer klinischen Prüfung nach Paragraph 3 des MPG ist die Untersuchung der „Sicherheit und Wirksamkeit des Medizinproduktes“. Anhand genau definierter Verfahren werden die Leistungsdaten, die auftretenden Nebenwirkungen und die Wirkungsmechanismen überprüft und bewertet. Zudem werden geeignete klinische Einsatzgebiete ermittelt.
3. Inverkehrbringung
Das Medizinproduktegesetz regelt auch das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme eines neuen Medizinproduktes. Um eine hohe Qualität und den Gesundheitsschutz in allen EU-Mitgliedsstaaten sicherzustellen, wird das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme eines neuen Medizinproduktes nicht nur im nationalen Medizinproduktegesetz geregelt, sondern auch in der EU-Verordnung Nr. 745/2017 (Medical Device Regulation). Diese Verordnung wurde vom Europäischen Parlament im Mai 2017 veröffentlicht und ist seit 26. Mai 2021 für alle Mitgliedstaaten und Hersteller verbindlich und unmittelbar anzuwenden.
Für die Abgabe eines neuen Medizinprodukts muss eine Antragstellung beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen durch den Hersteller oder einer bevollmächtigten Person mit Sitz in Österreich erfolgen. Mit diesem Antrag wird ein Feststellungsverfahren eingeleitet. Dabei wird das neue Medizinprodukt genauestens unter die Lupe genommen. Zuständig ist dafür nicht ausschließlich der*die Bundesminister*in für Gesundheit und das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, sondern ein eigens eingerichteter Abgrenzungs- und Klassifizierungsbeirat.
4. Klassifizierung von Medizinprodukten
Mit dem Feststellungsverfahren wird nicht nur bewertet, ob es sich bei dem neuen Produkt tatsächlich um ein Medizinprodukt laut MPG handelt, sondern auch eine Klassifizierung durchgeführt. Diese Klassifizierung nach dem MPG und mit Bezug auf die EU-Verordnung NR. 745/2017 dient dazu, das Risiko einer Verletzbarkeit des menschlichen Körpers durch das jeweilige Produkt einschätzen zu können.
Medizinprodukte werden laut MDR in folgende Risikoklassen und Unterklassen eingeteilt:
Klasse | Risikoart | Beispiele |
Klasse I
Im: Medizinprodukte der Klasse I mit Messfunktion |
Geringes Risiko | Gehhilfen, Bandagen |
Klasse IIa | Mittleres Risiko | MRT, Röntgen, Ultraschall |
Klasse IIb | Erhöhtes Risiko | Beatmungsgeräte, Defibrillator |
Klasse III | Hohes Risiko | Implantate, Herzkatheter |
Die Kriterien für die Klassifizierung sind umfassend und beruhen auf Regeln. Diese betreffen unter anderem:
- Anwendungsdauer
- Ort der Anwendung
- Grad der Invasivität
- Zentrales Kreislaufsystem oder zentrales Nervensystem
- Wiederverwendbares chirurgisches Instrument
- Aktives therapeutisches oder aktives diagnostisches Medizinprodukt
- Verwendung von biologischem Material (Mensch oder Tier)
5. CE-Kennzeichnung & Sonderregelungen
Medizinprodukte dürfen nur dann in Betrieb genommen oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie über eine CE-Kennzeichnung verfügen. Sie dient dazu, zu bestätigen, dass das Medizinprodukt unter den vorgesehenen Verwendungsbedingungen sicher und wirksam ist.
Im Rahmen einer Konformitätsbewertung wird die CE-Kennzeichnung des jeweiligen Medizinproduktes festgestellt. Bei Medizinprodukten der Klasse I kann diese der Hersteller selbst durchführen. Bei Medizinprodukten der Klasse IIa, IIb und III wird das Führen einer CE-Kennzeichnung durch ein unabhängiges Prüfinstitut bewertet.
Verlief die Bewertung positiv, muss die CE-Kennzeichnung nicht nur auf dem Produkt bzw. der Sterilverpackung, sondern auch auf der Verpackung und der Gebrauchsanweisung angegeben sein.
Die vierstellige Kennnummer, die bei einigen Medizinprodukten zusätzlich zur CE-Kennzeichnung angegeben werden muss, gibt Auskunft über die benannte Stelle, die für die Durchführung der Konformitätsbewertungsverfahren verantwortlich ist.
Es gibt jedoch auch Medizinprodukte, die von der CE-Kennzeichnung ausgenommen sind. Dazu zählen beispielsweise Sonderanfertigungen. Auch für Demonstrationszwecke, beispielsweise auf Messen, dürfen Medizinprodukte ohne Zulassung verwendet werden. Jedoch muss ausdrücklich ersichtlich sein, dass eine Übereinstimmung mit dem MPG noch nicht erfolgt ist.
6. Einweisung von Medizinprodukten
Ist ein Medizinprodukt erfolgreich zugelassen, müssen noch Regelungen bezüglich der Einweisung beachtet werden. Denn Medizinprodukte dürfen nicht von jeder Person angewandt werden, sondern nur von jenen, die auch eine dem Produkt entsprechende Einschulung erhalten haben. Eine Dokumentation der Einweisungen ist ebenfalls erforderlich.
Das MPG regelt nicht nur, welche Personen Medizinprodukte verwenden dürfen, sondern auch welche Personen zu einer Einschulung befähigt sind. Dazu zählen Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung oder erworbener Kenntnisse und Erfahrungen qualifiziert sind. Die Einweisung kann auch mittels Schulungen durch den Betreiber gemacht werden.
7. Was passiert beim Verstoß des Medizinproduktegesetzes?
Bei einem Verstoß gegen das MPG droht eine Geldstrafe von bis zu 25.000 €, im Wiederholungsfall sogar bis zu 50.000 €. Dies ist jedoch erst der letzte Schritt. Als erste Regelung bei einem Verstoß, besteht die Chance, die Mängel innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben. Zusätzlich muss jeder weitere Verstoß durch den Hersteller oder einer bevollmächtigten Person verhindert werden.
Werden die Mängel nicht behoben und der Verstoß weiter durchgeführt, so hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen die Befugnis, die weitere Verteilung bzw. Verwendung des betreffenden Medizinproduktes einzuschränken oder sogar ganz vom Markt zu nehmen.
Bedeutet der Verstoß eine Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit, so kann das Bundesamt noch weitere Maßnahmen setzen:
- Bei nicht unerheblicher Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit von Patient*innen, Anwender*innen oder Dritten kann eine Betriebsschließung erfolgen, sofern nicht durch andere Maßnahmen eine Lösung gefunden wird.
- Bei unmittelbarer Gefährdung der Gesundheit können diese Maßnahmen auch ohne vorangegangenes Verfahren getroffen werden. Es muss jedoch innerhalb von vier Wochen ein begründeter Bescheid erlassen werden.
8. Das MPG als Basis für erfolgreiche Medizinproduktentwicklung
Eine rechtliche Grundlage für Medizinprodukte stellt sicher, dass sich neue Produkte für den medizinischen Zweck eignen, und dass bestehende Medizinprodukte die hohen Qualitätsansprüche erfüllen. Durch die neue EU-MDR und das adaptierte MPG wird die medizinische Produktentwicklung vor viele große Herausforderung gestellt.
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Quellen:
- https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00109/index.shtml, Parlament Republik Österreich
- https://www.ages.at/mensch/arzneimittel-medizinprodukte/medizinprodukte, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
- https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011003, Rechtsinformationssystem des Bundes/Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
- https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32017R0745#d1e32-140-1, EUR-Lex
- https://reimbursement.institute/glossar/medizinprodukt/, RI Innovation GmbH