Was ist GSM?
1. Einleitung
GSM (Global System for Mobile Communications) ist ein Telekommunikationsnetz, mit dem man mobil telefonieren und im Internet surfen kann. GSM gehört zur zweiten Generation von Mobilfunknetzen, daher wird oft auch die Bezeichnung 2G verwendet. In Österreich wurde das erste GSM Netz 1994 in Betrieb genommen. Damals war nur Telefonie möglich, später kam der SMS (Short Message Service) Dienst dazu, und in weiterer Folge IP auf Basis von GPRS (General Packet Radio Service) und EDGE (Enhanced Data Rates for GSM Evolution).
GSM geht auf eine Initiative der EU zurück. Mittlerweile ist GSM aber weltweit im Einsatz. Das GSM Netz ist komplett digital und unterscheidet sich somit wesentlich von der ersten Netzgeneration (1G), bei der noch eine analoge Funkschnittstelle verwendet wurde.
Ein Telefon Festnetz und ein GSM Mobilfunknetz sind sehr ähnlich. Bei der Festnetztelefonie (Abbildung 1) weiß das Telefonnetz aufgrund der Festnetznummer, welcher Teilnehmer (Kunde) auf welchem Anschluss erreichbar ist. Ein sog. Call Server sorgt für den Verbindungsaufbau zwischen Telefonen. Die Sprachinformation wird in IP Pakete verpackt und direkt zwischen den Telefongeräten ausgetauscht, der Call Server ist dabei nicht involviert.
GSM (Abbildung 2) ist die Erweiterung eines Telefon-Festnetzes mit einem Funknetz und mit den beiden Servern VLR (Visitor Location Register) und HLR (Home Location Register), die für die Mobilität (inkl. internationalem Roaming) erforderlich sind. Bei Mobilfunknetzen wie GSM und seinen Nachfolgern UMTS und LTE gibt es keinen festen Anschluss mehr, d.h. mal ist man zu Hause, mal irgendwo in Österreich, oder vielleicht sogar im Ausland. Trotzdem ist man immer mit der gleichen Nummer erreichbar, was sehr bequem ist. Früher musste man oft sagen „in den nächsten Tagen bin ich unter der Nummer xy erreichbar“, heutzutage ist man immer und überall unter derselben Nummer erreichbar.
GSM Handys sind nicht mehr an eine fest installierte Anschlussleitung gebunden, die Verbindung mit dem Corenetz (auch Backbone genannt) erfolgt stattdessen über ein Funknetz bestehend aus Basisstationen (BTS) und Controllern (BSC). Die Basisstationen sind für die Funkübertragung zuständig, der Controller steuert Handy und Basisstationen. Er ist für den Auf- und Abbau der Verbindung vom Handy bis zum Corenetz zuständig, regelt die Sendeleistung von Handy und BTS und sorgt auch dafür, dass eine Verbindung zur benachbarten Funkzelle weitergereicht wird (Handover), falls das Handy die Zelle wechselt. Die Handy Anbindung ist also nicht bloß der Ersatz einer Festnetzleitung durch eine ständig verfügbare Funkverbindung. GSM Funkverbindungen werden nur dann aufgebaut, wenn sie benötigt werden, z.B. zum Senden einer SMS oder zum Telefonieren. Und das nicht nur im Heimnetz, sondern in jedem Mobilnetz auf der ganzen Welt, mit dem der Netzbetreiber ein Roaming Abkommen hat.
Im Gegensatz zu WLAN Zellen, die mit der Sendeleistung von 100 mW einen Radius von einigen 10 Metern bis wenigen 100 Metern erreichen, können GSM Zellen bis zu 35 km groß sein, allerdings bei mehreren Watt Sendeleistung.
2. Funkschnittstelle
GSM gehört zur zweiten Generation von Mobilfunknetzen und hat eine digitale Funkschnittstelle. Eine Funkzelle besteht aus mindestens einem Funkkanal, der wiederum aus einer Uplink und einer Downlink Frequenz zu je 200 kHz Bandbreite besteht (Abbildung 3). Als Uplink wird die Übertragungsrichtung vom Handy zur BTS bezeichnet, als Downlink die umgekehrte Richtung. GSM ist also, im Gegensatz zum WLAN, eine full-duplex Technologie. In Europa sind alle GSM Funkkanäle in zwei Bänder zusammengefasst, dem 900 MHz und dem 1800 MHz Band (Abbildung 3).
Funkkanäle müssen von Netzbetreibern ersteigert werden. Im Zuge der Auktion im Herbst 2013 kam es in Österreich zu einer Neuverteilung und damit einhergehenden Defragmentierung der Funkkanäle, wodurch jetzt fast alle Funkkanäle der Netzbetreiber im Frequenzspektrum benachbart sind. Auch ist es mittlerweile erlaubt, GSM Frequenzen für UMTS und LTE, also technologieneutral zu nutzen (Refarming).
Sowohl der Uplink als auch der Downlink Bitstrom sind in 8 Zeitschlitze (Time Slots) unterteilt (Abbildung 3).
Zeitschlitz 0 und 1 sind für Signalisierung reserviert, die restlichen Zeitschlitze können für Sprache oder IP verwendet werden. Auf Zeitschlitz 0 broadcastet die BTS allgemeine Informationen über das Netz und die Zelle, z.B. welchem Netzbetreiber diese Zelle gehört und welche Location Area (LA) Nummer sie hat. Auch werden ankommende Anrufe mittels einer Paging Nachricht auf dem Zeitschlitz 0 signalisiert. Im Uplink erfolgt die Erstkontaktaufnahme der Handys ebenfalls über den Zeitschlitz 0.
Zeitschlitz 1 ist der Signalisierungskanal, auf dem Location Updates und Rufaufbauten signalisiert werden. Damit ähnelt er sehr stark dem Festnetz ISDN D-Kanal. Auch SMS Nachrichten werden über diesen Zeitschlitz gesendet oder empfangen. Zeitschlitz 1 kann von bis zu 8 Handys gleichzeitig genutzt werden.
Die Zeitschlitze 2 bis 7 werden für Sprach bzw. IP Verkehr genutzt. Bei Fullrate Sprachverbindungen ist ein Zeitschlitz jeweils genau einem Handy zugeordnet. Bei Halfrate kann ein Zeitschlitz von zwei Sprachhandys gleichzeitig genutzt werden. Das wird immer dann verwendet, wenn viele Leute in einer Funkzelle telefonieren wollen (Einkaufzentren, Stadien). Bei IP werden Zeitschlitze immer zwischen mehreren Handys geteilt.
Falls 6 Zeitschlitze eines Funkkanals für den Teilnehmerverkehr nicht ausreichen sollten, können einer Zelle auch weitere Funkkanäle zugewiesen werden, theoretisch bis zu 16. Weil aber Funkkanäle in benachbarten Zellen nicht wiederverwendet werden dürfen, machen höchstens 4 bis 6 Funkkanäle pro Zelle Sinn. Gegebenenfalls muss der Zellradius verkleinert werden, damit mehr Teilnehmer mit dem GSM Netzdienst versorgt werden können. Signalisierung auf den Zeitschlitzen 0 und 1 gibt es dann nur auf einem Funkkanal, bei allen weiteren Funkkanälen in der Zelle stehen alle Zeitschlitze für Teilnehmerverkehr sprich Sprache und IP zur Verfügung.
3. Mobilität
Die Funkanbindung alleine bedeutet zwar, dass man innerhalb der Funkzelle mobil ist, aber nicht notwendigerweise darüber hinaus. Für netzweite Mobilität sowie internationales Roaming werden im Corenetz die beiden Server VLR und HLR benötigt. Sie speichern den jeweiligen Aufenthaltsort eines Handys. Identifiziert werden Handys anhand der auf der SIM Karte gespeicherten IMSI (International Mobile Subscriber Identity).
Der VLR kennt alle SIM Karten, die sich momentan in seinem Bereich aufhalten. Der VLR „Überwachungsbereich“ besteht aus sog. Location Areas (LAs), die wiederum aus einer oder mehreren Funkzellen bestehen. Im Beispielsnetz (Abbildung 2) gehören zur LA 1 die Zellen 1 und 2, zur LA 2 die Zellen 3 und 4. Der VLR weiß, dass sich Handy 1 und 2 innerhalb der LA 1 aufhalten. In welcher der zur LA 1 gehörenden Zelle weiß er aber nicht. Wenn sich Handy 2, das zwar eingeschaltet ist, aber keine Verbindung hat (in diesem Fall spricht man vom Standby Zustand), von Zelle 2 zur Zelle 3 weiterbewegt, muss es dem VLR den Wechsel der Area bekanntgeben. Dieser Vorgang wird als Location Update bezeichnet. Dazu wird eine Signalisierungsverbindung mit dem Corenetz aufgebaut, über die dem VLR der Location Update mitgeteilt wird. Wechselt das Handy 2 dann von Zelle 3 in die Zelle 4, muss es keinen Location Update machen, weil Zelle 4 ebenfalls zur LA 2 gehört. Zu welcher LA eine Zelle gehört, steht in Informationen, die das Netz im Zeitschlitz 0 broadcastet. Zeitschlitz 0 muss also permanent von Handys, die sich im Standby Zustand befinden, gelesen werden. Falls das Signal der Zelle schwächer wird und eine Nachbarzelle einen höheren Signalpegel bietet, wechselt das Handy die Frequenz und liest ab diesem Zeitpunkt den Zeitschlitz 0 der Nachbarzelle. Die Pegelanzeige am Handy gibt ungefähr an, wie stark das von der BTS gesendete Zeitschlitz 0 Signal am Ort des Handys ist. Aktiv sendet ein Handy aber nur dann, wenn es eine Verbindung mit der BTS hat. Location Updates werden gesendet, wenn das Handy in eine Zelle wechselt, die zu einer neuen LA gehört, bzw. auch ohne Zellwechsel in periodischen Abständen (Periodic Location Update), damit der VLR weiß, dass das eingebuchte Handy noch „lebt“.
Jedes Handy muss sich nach dem Einschalten sofort beim zuständigen VLR einbuchen. Von ihm bekommt es auch die Erlaubnis, das Netz nutzen zu dürfen. Dann wird am Handy Display der Name des Netzes angezeigt. Weil ein VLR die Daten einer SIM Karte nur vorübergehend speichert, muss er sich diese beim Einbuchen vom zuständigen HLR holen. Jede SIM Karte kann anhand ihrer IMSI Nummer genau einem HLR zugeordnet werden. Dort sind sämtliche Daten der SIM gespeichert, z.B. ob Prepaid oder Normaltarif, ob nur ankommende Rufe möglich sind, ob Roaming erlaubt ist oder nicht, ebenso Nummern für Anrufweiterleitungen bei Besetzt oder Nicht-Erreichbarkeit und vieles mehr.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass das GSM Netz den Aufenthaltsbereich jedes eingebuchten Handys kennt, aber nur auf LA Basis, und nicht auf Zellbasis. Ein Netz kann viele VLRs haben, jede SIM Karte ist aber nur auf einem HLR gespeichert. Im Fall von internationalem Roaming bucht sich ein Handy in einem ausländischen VLR ein. Dieser sagte dem für die SIM zuständigen HLR im Heimnetz Bescheid, dass sich die SIM bei ihm aufhält. Vom HLR holt sich der VLR dann auch die Teilnehmerdaten, damit er weiß, was das Handy darf und was nicht. VLR und Call Server bilden immer ein zusammengehörendes Paar, bekannt unter dem Namen MSC Server.
4. Rufaufbau zu einem Handy
Wenn ein Handy beispielsweise von einem Festnetztelefon angerufen wird, dann wird anhand der Netzkennzahl (in Österreich z.B. 660, 664, 676) der entsprechende Netzbetreiber ausgewählt und der Rufaufbau an einen Call Server dieses Netzes gesendet. Weil dieser jedoch den Aufenthaltsort des Handy nicht kennt, fragt er den zuständigen HLR, der weiß, in welchem VLR/Call Server das Handy eingebucht ist. Der Rufaufbau wird dann bis zum entsprechenden Call Server fortgesetzt, bei dessen VLR das Handy eingebucht ist. Der Ziel Call Server kann sich im eigenen Netz befinden oder im Netz eines Roaming Partners. Erreicht der Rufaufbau den Call Server, erkundigt sich dieser bei seinem VLR, in welcher LA sich das Handy aufhält. Weil der Aufenthaltsort eines Handys nur auf LA Basis und nicht zellgenau bekannt ist, muss der Call Server mittels einer Paging Nachricht das Handy in allen Zellen ausrufen (englisch „paging“), die zur LA gehören. Wenn das Handy die Paging Nachricht hört, meldet es sich und der Rufaufbau kann weiter fortgesetzt werden.